Berlin, 10. Apr – Die Bundesregierung will den für Juli geplanten Startschuss zum Abbau begehrter Rohstoffe in der Tiefsee in internationalen Gewässern verhindern. „Wir plädieren dafür, den Start für den Abbau in der Tiefsee noch zu verschieben“, sagte Wirtschafts-Staatssekretärin Franziska Brantner der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. „Wir müssen den Meeresboden schützen und Klarheit über mögliche Konsequenzen für das Klima bekommen.“
Der kleine Pazifik-Staat Nauru hatte im Frühjahr 2021 einen Antrag auf den kommerziellen Abbau von Manganknollen am Meeresgrund gestellt. Deshalb muss die zuständige Internationale Meeresbodenbehörde eigentlich bis Juli ein Regelwerk für den kommerziellen Abbau und die Umweltschutzbestimmungen erstellt haben. Ansonsten könnte nach den Regularien der Abbau auch ohne umfassende neue Umweltauflagen genehmigt werden.
Doch nun formiert sich Widerstand. Deutschland stehe mit der Forderung nach einer Verschiebung nicht alleine da. „Frankreich, Costa Rica, Brasilien, Spanien, Finnland, Neuseeland und viele pazifische Inselstaaten gehören zum Beispiel zu der Allianz, die auch eine weitere Pause des Abbaus haben wollen“, betont Brantner. Eigentlich sei es nur das mit Nauru zusammenarbeitende kanadische Unternehmen TMC, das schnell mit dem Abbau von Manganknollen in großer Tiefe Geld verdienen wolle. „Deshalb werden wir auch mit der kanadischen Regierung reden“, kündigte die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Wirtschaftsministerium an, das innerhalb der Bundesregierung für den Tiefseebergbau zuständig ist.
Nach jahrzehntelangen Debatten drängen jedoch viele Akteure auf einen Abbau der Rohstoffe auf dem Meeresboden. Deutschland selbst hat 2006 die Lizenz für ein Explorationsgebiet im Pazifik erworben. Denn die Mangan-Knollen, die eine Größe bis zu kleinen Handbällen erreichen könne, beinhalten die begehrten Metalle Mangan, Kupfer, Kobalt und Nickel – und es gibt Milliarden von ihnen in Tiefen von mehreren tausend Metern.
Die Bundesregierung verfolge deshalb eine Doppelstrategie. „Wir verhandeln hart, dass die Regularien streng ausfallen, damit es einen guten Umweltschutz basierend auf dem Vorsorgeprinzip gibt“, sagte die Grünen-Politikerin. Gleichzeitig wolle man eine Verschiebung erreichen, da das Wissen um mögliche Umweltschäden noch zu gering sei. „Es geht etwa um die CO2-Senken am Meeresboden“, sagte sie mit Blick auf das mögliche Austreten von bisher im Meer gebundenem Kohledioxid in die Atmosphäre. „Viele Lebewesen in der Tiefe kennen wir gar nicht, wir stehen ganz am Anfang der Forschung.“ Die Risiken müssten also kontrollierbar sein und umweltfreundliche Technologien für den Abbau erforscht werden. „Ansonsten sollten wir die Finger davon lassen.“ Auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), eine nachgeordnete Behörde des Wirtschaftsministeriums, sehe die Notwendigkeit, dass die Methoden für den Abbau von Mangan-Knollen noch erheblich weiterentwickelt werden müssten.
Brantner wehrt sich gegen den Vorwurf, dass sie den Abbau ganz ablehne. Die Bundesregierung investiere in die Forschung und wolle 2026 die Lizenz für das Explorationsgebiet im Pazifik erneuern. Nur müsse man auch Alternativen an Land prüfen. „Wir haben an der Erdoberfläche etwa in Kanada, Australien oder Südafrika noch viele Alternativen für Metall-Rohstoffe.“ Zwar werde überall in die Natur eingegriffen. Aber auf der Erde finde die Renaturierung in Jahrzehnten statt, in der Tiefsee in Millionen von Jahren. Zudem müssten das Recycling und die Wiederverwertung von Rohstoffen vorangetrieben werden.
Deshalb wehrt sie sich gegen die Auslegung, dass die Lizenz zwangsläufig mit dem Abbau verbunden sei. Brantner wirft der in Jamaika ansässigen Internationalen Meeresbodenbehörde eine einseitige Auslegung der Regeln vor. „Zum Mandat der Meeresbodenbehörde gehört schließlich auch der Umweltschutz.“
Interview: Bundesregierung will schnellen Beginn von Tiefsee-Bergbau verhindern
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Alex Banner auf Pixabay
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