Freitag, November 15, 2024
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Corporate Venturing: Mit diesen Innovationseinheiten entwickelt die Schweizer Finanzindustrie ihre Geschäftsmodelle weiter

Branche wird in den Folgejahren ihre Aktivitäten im Bereich Corporate Venturing neu ausrichten

Alle Universalbanken, zwei Drittel (67 Prozent) der Kantonalbanken und deutlich mehr als die Hälfte der Privatbanken (57 Prozent) haben zuletzt auf Corporate Venturing gesetzt. Ein ähnliches Bild zeigen die Schweizer Versicherungen: 78 Prozent der Life-/Non-Life-Versicherungen nutzen Corporate Venturing und jeweils die Hälfte (50 Prozent) der Rückversicherer sowie der jeweils auf Lebens- und Nicht-Lebens-Versicherungen spezialisierten Unternehmen.

Zur externen Förderung von Innovation haben die Schweizer Finanzdienstleister seit 2012 Venture-Kapital für 292 Start-Ups zur Verfügung gestellt. Thematische Schwerpunkte: Mobilität, Health Care, Finanzplattformen, Künstliche Intelligenz und Finanzplattformen.

Die Studie von TTE Strategy betrachtet jeweils 20 Banken und 15 Versicherer im Detail: 13 Banken sind im Corporate Venturing aktiv, in 8 Fällen haben sie eigene Innovationseinheiten gegründet. 10 betrachteten Versicherer haben Aktivitäten gezeigt, 6 Mal haben sie selbst Innovationsteams gegründet. 20 Finanzdienstleister haben Kapital für externe Ventures wie Start-Ups zur Verfügung gestellt. In elf Fällen haben die Unternehmen sowohl interne Einheiten aufgebaut als auch extern finanziert.

„FinTechs aus allen Ländern der Welt haben in den letzten zehn Jahren die etablierten Konzerne in der Finanzindustrie offensiv angegriffen“, sagt Niklaus Wildberger, Managing Director des Schweizer Büros von TTE Strategy. „Sie befinden sich in Zugzwang. Zum einen haben sie versucht, sich durch externe Beteiligungen an Start-Ups Innovation zu kaufen. Zum anderen hat eine signifikant hohe Zahl versucht, Innovation in der eigenen Organisation zu fördern – indem man neue, anders als die Hauptorganisation geführte Innovationseinheiten gegründet hat. Wir nennen das Corporate Venture Building, den Aufbau von internen Ventures.“

Diese Innovations-Einheiten haben Finanzdienstleister aufgebaut

Drei Formen interner Organisationseinheiten haben sich dabei herauskristallisiert: (1) ‚Innovation Labs‘ sind interne Einheiten, die auf Basis aktueller Methoden zur Innovationsförderung an neuen Produkten und Prozessverbesserungen arbeiten. Das Ziel: Diese Innovationen ins eigene Unternehmen tragen. (2) ‚Open Innovation Teams‘ sind kleine Teams, die mit externen Start-Ups, führenden Wissenschaftlern und anderen Drittorganisationen zusammenarbeiten, um mit diesen gemeinsam Innovationen zu entwickeln. Ein (3) ‚Inkubator‘ ist ein Team, das aus Experten für agile Methoden wie ‚Design Thinking‘ und ‚Agile Development‘ besteht und auf Basis dieser Methoden an ganz spezifischen Innovations-Fragestellungen tüftelt.

Zehn der Finanzdienstleister haben alle diese Einheiten aufgebaut und sind damit eine höhere interne Investition in Innovation eingegangen. Fünf haben sich auf Open Innovation Teams und Inkubatoren beschränkt, ohne ein eigenes ‚Labor‘ zu betreiben.

Michael Boppel, Berater bei TTE Strategy und einer der Autoren der Studie, sagt: „Das Management der Schweizer Finanzdienstleister hat erkannt, dass schnelle Innovation im Rahmen der eigenen, über Jahrzehnte gewachsenen, über Tradition verbundenen Organisationen nicht funktionieren wird. Und dass es an der Zeit fehlt, erst die eigene Organisation innovationsfähig zu machen, bevor die eigentliche Arbeit beginnt.

Sie haben darum genau beobachtet, wie andere Industrien weltweit mit Corporate Venturing umgegangen sind und haben die dort bewährten Methoden übernommen. Dieses Vorgehen hat spürbare Effekte auf die Branche der Financial Services in der Schweiz.“

Lernkultur aufgebaut, aber Erwartungen an Effizienz- und Ergebnisverbesserungen bisher nicht klar erfüllt

Um diese Effekte genauer zu verstehen, haben Berater von TTE Strategy mit den untersuchten Unternehmen direkt gesprochen. „Unternehmen haben uns von einer Verbesserung der Lernbereitschaft und -fähigkeit sowie einer größeren Offenheit für Innovationen als Ergebnisse ihrer Aktivitäten berichtet“, sagt Michael Boppel. Ebenso hat Corporate Venturing dazu beigetragen, die Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen, insbesondere für Zielgruppen mit hoher Affinität zu Technologie und Digital. „Aber auch für langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dadurch neue Perspektiven erkannt haben, war Corporate Venturing ein Attraktivitätsgewinn“, sagt Michael Boppel.

Geht es um harte Ergebnisse, war die Zufriedenheit weniger stark ausgeprägt. Michael Boppel sagt: „Die Erwartungen hinsichtlich gestiegener Effizienz, neuer Produkte und einem gestiegenen Profit haben sich bei vielen, mit denen wir gesprochen haben, bisher nicht erfüllt. Niemand war der Meinung, dass die unternommenen Schritte falsch waren. Aber der mögliche Output ist in den meisten Fällen anders eingeschätzt worden. Hier hatte man sich mehr versprochen.“

Erfolgs- und Fehlermuster sind erkennbar, Unternehmen richten ihre Aktivitäten 2023 neu aus

Die Studienautoren haben sich nicht nur die aus Corporate Venture Building entstandenen Ergebnisse der 20 untersuchten Unternehmen genau angesehen, sondern auch jeweils den Weg dorthin. Niklaus Wildberger sagt: „In unseren Interviews konnten wir feststellen, dass eine Unzufriedenheit mit den Ergebnissen häufig mit den gleichen Problemen im Design von Struktur und Prozessen der internen Innovationseinheiten korreliert hat.“

Probleme, auf welche die Berater am häufigsten gestossen sind: teils zu breite, teils zu eingeengte Zielsetzung, unrealistische Einschätzungen von möglichen Ergebnissen in Relation zu eingesetztem Kapital und Zeit, falsche Operating Models, das Fehlen notwendiger Fachkompetenzen, nicht ausreichender persönlicher Einsatz der Beteiligten und kulturelle Inkompatibilität.

Niklaus Wildberger: „Grundsätzlich gilt sicherlich: Besser ‚machen‘ als ‚nicht machen‘. Aber im Laufe des Machens gilt es immer wieder zu überprüfen: Haben wir ein klares, erreichbares Ziel? Sind wir auf dem richtigen Weg dorthin?

Ziehen alle relevanten internen und externen Stakeholder an einem Strang? Schaffen wir echten Mehrwert oder drohen wir die eigene Organisation zu überfordern? Es ist das Merkmal agiler Einheiten, sich ständig neu auszurichten. Einige der Schweizer Unternehmen haben unterschätzt, wie grundsätzlich diese Neuausrichtungen im Kontext von Innovationsförderung manchmal sein können.“

Niklaus Wildberger und sein Team haben beobachtet, dass bereits vor der Corona-Pandemie erste Unternehmen ihre Innovation Labs wieder geschlossen haben. „Den Peak von Corporate Venturing an schierer Anzahl haben wir vermutlich zwischen 2015 und 2019 gesehen“, sagt Niklaus Wildberger. „Zuletzt haben Unternehmen ihren Fokus im Corporate Venturing verändert. In den Folgejahren wird es jetzt darum gehen, die eingegangenen internen wie externen Investitionen erneut zu bewerten und neu auszurichten. Gerade diejenigen, die sich ihre Fehler der Vergangenheit eingestanden haben, sind bestens dafür gewappnet, die nächste Runde des Corporate Venturing in der Schweizer Finanzindustrie erfolgreich einzuleiten.“

Über die Untersuchung:

Der Corporate Venturing Monitor untersucht die Aktivitäten der Schweizer Banken und Versicherungsunternehmen im Corporate Venturing, sowohl beim Aufbau eigener Innovationseinheiten als auch hinsichtlich externer Investitionen.

Basis ist die Untersuchung von 20 Banken und 15 Versicherern sowie die fokussierte Betrachtung von jeweils zehn dieser Unternehmen pro Branche. Der Corporate Venturing Monitor nutzt dabei sowohl die quantitative Analyse von vorhandenen Datensätzen als auch die qualitative Untersuchung auf Basis von persönlichen Interviews mit den Verantwortlichen der jeweiligen Unternehmen.

Den Corporate Venturing Monitor können Sie hier herunterladen:

https://tte-strategy.com/de/insights/post/corporate-venture-monitor-2023-mit-diesen-innovationseinheiten-entwickelt-die-schweizer-finanzindustrie-ihre-geschaeftsmodelle-weiter

Bild Michael Boppel, TTE Strategy

Quelle TTE Stretegy

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