Berlin, 02. Feb – Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt ihren Straffungskurs im Kampf gegen die hohe Inflation mit einer erneuten Zinserhöhung fort. Sie hob am Donnerstag die Schlüsselsätze um einen halben Prozentpunkt an. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, steigt dadurch auf 2,50 Prozent. Experten hatten mit der Erhöhung gerechnet. Sie sagten in ersten Reaktionen:
JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK:
„Die EZB hat ihren Einlagensatz heute wie erwartet um 50 Basispunkte auf 2,5 Prozent erhöht. Außerdem hat sie für die Sitzung im März bereits einen weiteren Zinsschritt in gleicher Höhe in Aussicht gestellt. Für die übernächste Sitzung im Mai erwarten wir jedoch eine Rücknahme des Zinserhöhungstempos auf 25 Basispunkte, weil die Inflation weiter fallen sollte. Mit 3,25 Prozent wäre dann das Ende des Zinserhöhungsprozess erreicht, auch wenn wir das nicht für ausreichend halten, um die Inflation mittelfristig wieder auf 2 Prozent zu senken.“
HENRIETTE PEUCKER, STELLVERTRETERIN DES HAUPTGESCHÄFTSFÜHRERS BUNDESVERBAND DEUTSCHER BANKEN:
„Die Europäische Zentralbank setzt ihren klaren Kurs gegen die Inflation im Euroraum fort. Die heutige Zinsentscheidung stärkt ganz entscheidend das Vertrauen in den Kurs der EZB. Wenn die EZB — wie heute noch einmal deutlich unterstrichen — den Straffungskurs in den nächsten Monaten beibehält, werden die europäischen Währungshüter auch die längerfristigen Inflationserwartungen besser begrenzen und kontrollieren können.Der sich abzeichnende Rückgang bei den Inflationsraten ist zwar erfreulich, es wäre aber verfrüht diese Entwicklung als Entwarnung zu werten. Der hartnäckige Inflationstrend ist im Euroraum mit gut fünf Prozent nach wie vor entschieden zu hoch. Die EZB hält völlig zurecht insbesondere die längerfristige Entwicklung im Blick.“
ULRICH KATER, CHEFVOLKSWIRT DEKABANK:
„Ein großes Armdrücken der Kapitalmärkte mit den Notenbanken hat begonnen. Die Kapitalmärkte drängen die Notenbanken schon wieder zu baldigen Zinssenkungen, aber zumindest die EZB bleibt standhaft bei ihrem Antiinflationskurs. Die Notenbanken sollten dem Marktdruck selbst bei deutlich sinkenden Inflationsraten nicht nachgeben, denn die unterliegenden Inflationsgefahren bleiben wohl noch länger erhalten.“
MARCEL FRATZSCHER, PRÄSIDENT DIW:
„Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte erhöht und eine weitere solche Zinserhöhung für März angekündigt. Sie hält an ihrem Kurs des moderaten Abbaus ihrer Anleihebestände fest. Ich erwarte, dass der EZB-Rat lediglich noch zwei weitere Zinserhöhungen in den kommenden Monaten vornehmen wird und den Leitzins zum Jahresende bereits wieder senkt.“
ACHIM DERCKS, STELLVERTRETENDER DIHK-HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER:
„Die erneute Zinsentscheidung des EZB-Rats war unausweichlich. Denn die Situation sieht nur auf den ersten Blick für Unternehmen und Bürger entspannter aus: Tatsächlich steigt die Kerninflation weiter an, die Inflationsrate ist also nur wegen leicht nachlassender Energiepreise zurückgegangen. Der Kampf gegen die Inflation ist also noch lange nicht gewonnen. Die öffentlichen Zwischenrufe einzelner EZB-Rat-Mitglieder verunsichern in dieser angespannten Situation die Unternehmen. Offensichtlich gelingt es dem Direktorium nicht, eine einheitliche Linie zu fahren.“
ALEXANDER KRÜGER, CHEFÖKONOM HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:
„Die EZB findet an der Zinsschraube immer mehr Gefallen. Mit dem heutigen Zinsschritt klopft sie am konjunkturrestriktiven Zinsbereich an. Auch wenn das Inflationsbild jüngst heller geworden ist, wird es zinsseitig weiter aufwärtsgehen. Die EZB wird ihre Inflationsprojektion für 2023 im März zwar deutlich senken, von einem preisstabilen Umfeld bliebe sie aber auch damit weit entfernt. Wohl deshalb hat sie für März bereits den nächsten großen Zinsschritt angekündigt. Vor allem die Kerninflation fordert die EZB, den Inflationskampf streng weiterzuführen. Das noch bevorstehende Zinserhöhungsvolumen dürfte 100 Basispunkte betragen.“
JÖRG ASMUSSEN, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRER GDV:
„Die Anhebung der Leitzinsen um 50 Basispunkte ist richtig, weitere Schritte in diesem Umfang müssen folgen. Denn auch wenn die Inflationsraten rückläufig sind, ist die Kerninflation im Euroraum zuletzt wieder leicht gestiegen. Die Arbeit ist also noch nicht vollendet. Der aufkeimende Konjunkturoptimismus und die jüngst besseren Wirtschaftsdaten erleichtern es der EZB, Kurs zu halten. Eine robustere Wirtschaft wird die nächsten Zinserhöhungen besser verkraften. Womöglich gelingt der EZB auf diesem Wege sogar ein soft landing.“
FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW:
„Der in den kommenden Monaten zu erwartende Rückgang der Euro-Inflationsrate ist eine Folge der nicht weiter steigenden Energiepreise und der staatlichen Entlastungen. Hingegen bleibt die an der Kerninflation gemessene breite Inflationsdynamik weit über dem EZB-Inflationsziel. Der EZB-Rat tappt derzeit im Dunkeln, wann mit einem nennenswerten Rückgang der Kerninflation zu rechnen ist. Er musste in den letzten zwei Jahren lernen, wie schlecht sich die Inflation jenseits eines Zeithorizonts von einem Jahr prognostizieren lässt. Es ist daher nur folgerichtig, dass die derzeitige Mehrheit im EZB-Rat erst einen substanziellen Rückgang in der Kernrate sehen will, bevor die Zinserhöhungen zum Ende kommen.“
Volkswirte zur Erhöhung des EZB-Leitzinses um 0,50 Prozentpunkte
Quelle: Reuters
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