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BGH-Entscheidung vom 16.12.2022 zur Ausübung von Wiederkaufsrecht durch Gemeinde

Ausgangssituation

Baulandmobilisierung und Wohnraumförderung sind in Zeiten der Wohnraumknappheit und hoher Immobilienpreise ein Dauerthema. Die Bauleitplanung ist Aufgabe der Gemeinden. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgabe aufgrund städtebaulicher Vereinbarungen mit privaten Investoren vereinbaren, dass diese gemeindliche Grundstücke ankaufen und bebauen. Gesetzliche Vorgabe ist, dass Leistungsvereinbarungen mit Investoren stets angemessen sein müssen (§ 11 Abs. 2 BauGB). 

Vereinbart wird üblicherweise, dass der Investor das Grundstück binnen einer bestimmten Frist zu bebauen hat. Das ist bei auskömmlicher Frist in der Regel angemessen, weil die Gemeinde ein berechtigtes Interesse an der Realisierung des Bauvorhabens hat. Die Absicherung Bauverpflichtung erfolgt meist durch ein Wiederkaufsrecht der Gemeinde, falls der Investor die Bauverpflichtung nicht erfüllt. Häufig lässt sich die Gemeinde als zusätzliche Absicherung eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch eintragen.

Details zum Wiederkaufsrecht und seiner Ausübung werden im BGB geregelt. § 462 BGB sieht vor, dass das Wiederkaufsrecht bei Grundstücken bis zum Ablauf von 30 Jahren ausgeübt werden kann.

In der rechtlichen Praxis und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird häufig angenommen, dass abweichend vom Gesetzeswortlaut die Ausübung des Wiederkaufsrechts höchstens binnen 20 Jahren und auch nur dann nach so langer Zeit angemessen ist, wenn der Käufer den Kaufgegenstand zu einem den Verkehrswert deutlich unterschreitenden Preis erworben hat. Derartige Subventionierungen sind haushaltsrechtlich allerdings auch nur zulässig, wenn damit z.B. erreicht werden soll, dass vornehmlich einheimischen der vergünstigte Erwerb von Grundstücken ermöglicht werden soll (sogenanntes „Einheimischenmodell“). Betroffen sind meist Fälle, in denen der Käufer zwar zu einem subventionierten Kaufpreis erwirbt, aber Einschränkungen hinzunehmen hat, wie z.B. Weiterveräußerungsverbote bzw. Selbstnutzungsgebote etc.

BGH-Entscheidung vom 16.12.2022, V ZR 144/21

Der BGH hatte am 16.12.2022 (Aktenzeichen V ZR 144/21) über einen anders gelagerten Fall zu entscheiden. Dieser betraf die Frage, ob die Ausübung des Wiederkaufsrechts durch die Gemeinde nach 20 Jahren auch möglich ist, wenn der Kaufpreis nicht subventioniert war. Zugrunde liegt ein Sachverhalt aus Niederbayern. 1994 hatte ein privater Käufer ein Grundstück zu einem als marktüblich eingestuften Preis von der Gemeinde erworben. Er hat die Verpflichtung übernommen, das Grundstück binnen 8 Jahren zu bebauen. Die Gemeinde ließ sich den Anspruch durch ein Wiederkaufsrecht absichern.

Eine Frist zur Ausübung des Wiederkaufsrechts wurde nicht vereinbart. Der Käufer bebaute das Grundstück nicht. Am 14.11.2014, mehr als 20 Jahre nach Ankauf und ca. 12 Jahre nach Ablauf der für die Bebauung gesetzten Frist machte die Gemeinde ihr Wiederkaufsrecht geltend. Der Käufer meinte, das sei zu spät. Nach Ablauf von mehr als 20 Jahren hätte der Gemeinde dieses Recht nicht mehr zugestanden. Das wäre nur denkbar gewesen, wenn ihm ein erheblicher Kaufpreisnachlass gewährt worden wäre. Das sei nicht der Fall gewesen.  

Die Gemeinde verklagte den Käufer auf Rückübereignung des Grundstücks. Der BGH gab der Gemeinde recht. Die Entscheidung lag bei Verfassung dieses Artikels im Volltext noch nicht vor, sondern nur eine Pressemitteilung. Danach begründet der BGH seine Entscheidung damit, dass die Bauverpflichtung binnen 8 Jahren den Käufer nicht unangemessen benachteiligt hätten, denn die Gemeinde habe ein öffentliches Interesse an der Realisierung des Bauvorhabens.

Dass das Wiederkaufsrecht 30 Jahre lang ausgeübt werden konnte, sei nicht grundsätzlich nachteilig für den Käufer. Damit sei sogar zugunsten des Käufers die Möglichkeit geschaffen worden, z.B. die 8-Jahresfrist für den Bau des Objektes zu verlängern, falls der Käufer in Schwierigkeiten geraten wäre. Die Grundsätze des „Einheimischenmodells“ seien auf den Fall nicht anwendbar. Der Käufer habe das Grundstück nicht vergünstigt zur Selbstnutzung für einen bestimmten Zeitraum erworben. Seine einzige Verpflichtung hätte in der Bebauung binnen 8 Jahren bestanden, danach hätte er es nach Belieben verkaufen oder vermieten können. 

Worauf müssen sich Käufer gemeindlichen Baulands zukünftig einstellen?

Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Entscheidung ergeben.

Eigentümer von Gemeindegrundstücken müssen sich darauf einstellen, dass die Gemeinden nach dem Urteil das etwaige Bestehen von Wiederkaufsrechten überprüfen werden. Es ist damit zu rechnen, dass sie etwaige Wiederkaufsrechte bei Fehlen von Befristungsvereinbarungen bis zum Ablauf von 30 Jahren ausüben. 

Allerdings darf die praktische Bedeutung der Entscheidung nicht überschätzt werden: Die Entscheidung bezieht sich nur einen Fall, in dem die einzige Verpflichtung des Käufers darin besteht, das Grundstück zu bebauen und er es danach nicht bewohnen muss und auch verkaufen darf. In solchen Fällen wird es meist keine Vergünstigung des Kaufpreises geben, weil die Gemeinden außerhalb spezieller Konstellationen wie dem Einheimischenmodell aus haushaltsrechtlichen Gründen noch nicht einmal berechtigt sind, ein Grundstück vergünstigt zu verkaufen. 

Abgesehen davon entspricht die Vereinbarung von Bauverpflichtungen gängiger Praxis beim Erwerb von gemeindlichen Grundstücken. Man kann daher unterstellen, dass sich die meisten Investoren dieser Verpflichtung bewusst sind und den Kaufvertrag (vermutlich) mit Blick auf das durchzuführende Bauvorhaben abgeschlossen haben. Auch die Absicherung der Verpflichtung durch Wiederkaufsrecht entspricht üblicher Praxis. 

Zukünftig könnte es schwierig werden, mit einer Gemeinde Fristen für die Ausübung des Wiederkaufsrechts von weniger als 30 Jahren zu vereinbaren. Aus Sicht der Gemeinden ist das nicht notwendig, da das Wiederkaufsrecht mit Vollendung der Bauverpflichtung ohnehin entfällt. 

Ausblick – entscheidend ist der Einzelfall

Nach der neuen Entscheidung des BGH ist die lange Ausübungsfrist sogar günstig für den Investor, weil sie der Gemeinde den Spielraum verschafft, dem Käufer die Frist zur Erfüllung der Bauverpflichtung zu verlängern, falls das Vorhaben ins Stocken gerät. 

Offen bleibt aber, was geschieht, wenn die Gemeinde (wie offensichtlich im entschiedenen Fall) dem Käufer im Vorfeld noch nicht einmal ermahnt oder auffordert, die Erfüllung der Bauverpflichtung nachzuholen. Bei der Vertragsgestaltung sollte dies vorsorglich entsprechend berücksichtigt werden.

Offen bleibt auch, ob die 30-jährige Ausübbarkeit des Wiederkaufsrechts noch angemessen ist, wenn es z.B. durch eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch gesichert ist. Das könnte zumindest dann zur Unangemessenheit der Vereinbarung führen, wenn der Käufer dadurch gehindert ist, das Grundstück zu beleihen (etwa um seiner Bauverpflichtung nachzukommen). 

Nach wie vor empfiehlt sich daher die Überprüfung der Regelungen auf ihre Angemessenheit im Einzelfall um hier für beide Parteien konstruktive Verhandlungsergebnisse zu erzielen. 

Autor:

Dr. Bettina Wirmer-Donos ist Rechtsanwältin und Partnerin bei der Anwaltskanzlei FPS in Frankfurt. Ihre Tätigkeit umfasst sämtliche Aspekte des Legal Real Estate Asset Managements. Sie berät bei der Gestaltung von Mietverträgen, Bau- und Planerverträgen und Asset-Managementverträgen. Daneben berät sie Unternehmen im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Veräußerung und der Strukturierung von Immobilienportfolien. Sie besitzt umfangreiche und langjährige Erfahrung bei der Beratung und gerichtlichen Vertretung von national wie auch international tätigen Mandanten im Bereich des Immobilienwirtschaftsrechts.

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder

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