Washington/Berlin, 11. Dez – Nach dem rasanten Anstieg der Leitzinsen in den USA wird die Notenbank Federal Reserve (Fed) zum Jahresende voraussichtlich den Fuß etwas vom Gas nehmen. Für den Zinsentscheid am Mittwoch haben sich die Finanzmärkte auf eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt eingestellt. Damit würde der Schlüsselsatz auf 4,25 bis 4,50 Prozent steigen. Zuvor hatten ihn die US-Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell vier Mal in Folge um 0,75 Prozent angehoben, um der ausufernden Inflation Paroli zu bieten. Nach Anzeichen für ein Abebben des Preisdrucks scheint aus Sicht des Fed-Chefs die Zeit nun reif zu sein, etwas Tempo herauszunehmen.
Gespannt warten Investoren auf Signale, wie hoch die Währungshüter den Zins im nächsten Jahr noch treiben wollen. Dabei stellt sich die Frage, ob eine tiefe Rezession trotz des straffen Zinskurses abgewendet werden kann. Powell sieht weiter einen Weg zu einer mehr oder weniger sanften Landung der Wirtschaft. Diese war im Sommer auf das Jahr hochgerechnet um 2,9 Prozent gewachsen. Wegen der noch immer hohen Inflation im Land und der stark gestiegenen Zinsen, die den Immobiliensektor bereits belasten, sind die Konjunkturaussichten jedoch nicht mehr rosig. Die US-Wirtschaft steuert von Reuters befragten Ökonomen zufolge 2023 auf eine Rezession zu, die allerdings kurz ausfallen könnte. Rund 60 Prozent der Volkswirte erwarten für kommendes Jahr einen Rückgang des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) in zwei oder mehr Quartalen in Folge.
„FEINES HÄNDCHEN“ GEFRAGT
KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib verweist darauf, dass die US-Zentralbank den Leitzins in diesem Jahr bereits um „stolze 3,75 Prozentpunkte“ angehoben hat: „Beim weiteren Vorgehen muss die Fed jetzt ein feines Händchen beweisen“, so die Expertin, die früher für die Weltbank in Washington tätig war. Einerseits müsse der Kampf gegen die noch immer viel zu hohe Inflation fortgesetzt werden, andererseits wirkten Zinserhöhungen auf die Realwirtschaft immer mit Zeitverzögerung. Es bestehe daher die Gefahr, dass die konjunkturelle Entwicklung zu stark abgebremst wird: „Ich gehe davon aus, dass die Fed bei der Dezembersitzung langsam zum Sinkflug ansetzt“, sagte die Ökonomin.
Trotz der Konjunkturrisiken will Powell weiter an der Zinsschraube drehen, da die Fed im Kampf gegen die hohe Inflation einen langen Atem haben müsse. Der Fed-Chef schließt nicht aus, dass der Leitzins 2023 womöglich auf ein höheres Niveau getrieben werden muss, als bislang signalisiert. Er bezog sich dabei jüngst auf die Projektionen der Währungshüter vom September, in denen sie für Ende 2023 im Mittel ein Zinsniveau von 4,6 Prozent veranschlagt haben. Dieses im Fachjargon als „Dot Plot“ bekannte Punktdiagramm wird nun wieder aktualisiert. Die Terminmärkte stellen sich darauf ein, dass der Zinsgipfel erst bei einer Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent erreicht wird.
Und in der Reuters-Umfrage unter Ökonomen gab gut ein Drittel der Befragten an, dass sie mit einem noch höheren Niveau rechnen. So erwartet etwa Fed-Beobachter Jan Groen von der Investmentbank TD Securities, dass das Ende der Fahnenstange erst bei 5,25 bis 5,50 Prozent erreicht sein wird.
WEITERE ZINSERHÖHUNGEN ERWARTET
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht weiterhin gute Gründe für die Fed, die Zügel anzuziehen. Der Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne im November habe sich auf 0,6 Prozent beschleunigt, was anhaltende Inflationsgefahr signalisiert. Auch andere Lohnmaße könnten wieder höher ausfallen, warnt der Experte: „Das spricht ebenso für weitere US-Zinserhöhungen wie die Konjunktur, die sich nach wie vor nur wenig abkühlt.“
DWS-Volkswirt Christian Scherrmann rät Anlegern, trotz absehbar kleinerer Schritte der Fed auf der Sitzung am Mittwoch nicht allzu euphorisch zu sein: „Diese sind höchstwahrscheinlich weder Vorboten einer baldigen Lockerung noch ein Hinweis darauf, dass die Fed zum alten Verhalten zurückkehrt, die Märkte zu unterstützen.“ Vor allem Letzteres könnte aus seiner Sicht ein Relikt aus Zeiten sein, in denen die Inflationsraten tendenziell unter dem Zielwert der Notenbank von 2,0 Prozent lagen.
„Die Lohn-Preis-Spirale könnte dafür sorgen, dass die Inflation noch lange auf hohem Niveau bleibt“, sagt Konstantin Oldenburger, Marktanalyst beim Handelshaus CMC Markets. „Damit rückt eine Zinspause weiter nach hinten, während der Wunsch gar nach einer ersten Zinssenkung noch in 2023 wohl eher unerfüllt bleiben dürfte.“
Fed will bei Zinserhöhung kürzertreten – Wie hoch geht es noch?
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Q K auf Pixabay
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