UPDATE Frankfurt, 30. Nov – Die Inflationsrate im Euroraum schwächt sich erstmals seit vielen Monaten ab. Binnen Jahresfrist kletterten die Verbraucherpreise im November um 10,0 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Noch im Oktober hatte der Preisanstieg bei 10,6 Prozent gelegen. Damit ist die Teuerungsrate in der 19-Ländergemeinschaft erstmals seit Mitte 2021 gesunken. Die leichte Abschwächung vom bisherigen Rekordniveau dürfte denjenigen Währungshütern in der Europäischen Zentralbank (EZB) Argumente liefern, die einen weiteren hohen Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte auf der kommenden Dezember-Zinssitzung ablehnen.
„Der Rückgang der Inflationsrate ist eine schöne Momentaufnahme,“ kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank die Daten. Dennoch warnte er: „Inflationsseitig ist die Kuh noch nicht vom Eis, auch wenn der Inflationsgipfel hinter uns liegen könnte.“ Laut seinem Kollegen Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sollte nicht vergessen werden, dass die Kerninflation, in der die schwankungsreichen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet werden, im November auf dem hohen Niveau von 5,0 Prozent verharrte. „Im kommenden Jahr dürfte der unterliegende Preisdruck hartnäckig hoch bleiben“, führte er aus. „Das Inflationsproblem des Euroraums ist noch lange nicht gelöst.“
Die EZB strebt zwei Prozent Teuerung als Idealwert für die Euro-Zone an. Dieses Ziel bleibt auch nach dem Inflationsrückgang im November weit entfernt. Die Währungshüter um Notenbankchefin Christine Lagarde hatten im Kampf gegen den anhaltenden Inflationsschub im Juli die Zinswende eingeleitet. Innerhalb weniger Monaten erhöhten sie die Schlüsselsätze in drei Schritten um insgesamt 2,0 Prozentpunkte. Zuletzt setzten sie im September und im Oktober die Zinsen in ungewöhnlich kräftigen Jumbo-Schritten um jeweils 0,75 Prozentpunkte nach oben. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten und der aktuell am Finanzmarkt als der maßgebliche Zinssatz gilt, liegt damit inzwischen bei 1,50 Prozent. Die nächste Zinssitzung findet am 15. Dezember statt. Volkswirte rechneten zuletzt einer Reuters-Umfrage zufolge mehrheitlich mit einer nicht mehr ganz so starken Zinserhöhung um 0,50 Prozentpunkte.
ENERGIEPREISE STIEGEN ETWAS WENIGER STARK
Aus Sicht von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, dürfte der leichte Inflationsrückgang all die Währungshüter bestätigen, die für einen Schritt um 0,50 Prozentpunkte plädieren. „Eine kleinere Zinsanhebung sollte aber nicht bedeuten, dass die EZB bereits ein Ende des Zinsanhebungszyklus im Auge hat“, fügte er hinzu. „Die europäischen Währungshüter haben noch ein gutes Stück Weg vor sich.“ Das meint auch die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib: „Mit einer weiteren Reduzierung des Tempos der Zinsschritte oder gar einem Stopp des Zinserhöhungszyklus kann man aber erst rechnen, wenn die Inflationsraten auf einen klaren Abwärtstrend eingeschwenkt sind und vorausschauende Indikatoren noch eindeutiger nach unten zeigen.“
Die Energiepreise fachten die Inflation im November erneut an, wenn auch der Preisanstieg nicht ganz so stark ausfiel wie noch zuletzt. Energie verteuerte sich binnen Jahresfrist um 34,9 Prozent nach 41,5 Prozent im Oktober. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak legten um 13,6 Prozent zu nach 13,1 Prozent im Oktober. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich wie im Oktober um 6,1 Prozent. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich im November um 4,2 Prozent nach 4,3 Prozent im Oktober. In den drei baltischen Euro-Ländern – Litauen, Lettland und Estland – war im November die Inflationsrate am höchsten mit Werten von über 21 Prozent. Den geringsten Preisanstieg unter den Euro-Staaten verzeichnete Spanien mit einer Rate von 6,6 Prozent. Dort schwächt sich der Preisschub bereits seit dem Sommer ab. In Deutschland sank die Teuerungsrate im November auf 11,3 Prozent nach 11,6 Prozent im Oktober.
Inflationsrate im Euro-Raum geht auf 10,0 Prozent zurück
Quelle: Reuters
Symbolfoto: Bild von Michal Jarmoluk auf Pixabay
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