München, 27. Jan (Reuters) – Unter dem Eindruck der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands im vergangenen Jahr wollen die Versicherer Hausbesitzer künftig standardmäßig gegen Überschwemmungen und Erdrutsche absichern. Der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Wolfgang Weiler, forderte die Bundesregierung am Donnerstag auf, der Branche zu erlauben, den Elementarschutz auch in bestehende Verträge aufzunehmen.
Damit ließe sich die Versicherungsquote gegen solche Naturgefahren rasch von nur rund 50 Prozent auf 80 bis 90 Prozent steigern, sagte der Chef des Versicherers R+V, GDV-Präsidiumsmitglied Norbert Rollinger. Die Sturzflut im Juli hatte vor allem an den Flüssen Erft und Ahr Milliardenschäden verursacht.
Für die Versicherer, die gut acht Milliarden Euro zahlen müssen, war es die teuerste Naturkatastrophe in Deutschland überhaupt. In der Schaden- und Unfallversicherung schrieb die Branche laut GDV im vergangenen Jahr deswegen rote Zahlen. Das Ergebnis könne sich aber immer noch sehen lassen, sagte Weiler. „Es verdeutlicht: Versicherer können auch solche extremen Schäden schultern – und erfüllen ihre Aufgabe.“
Die Folgen von Sturzfluten und Erdrutschen, die sich im Klimawandel in Deutschland häufen dürften, sind bisher nicht in der gewöhnlichen Wohngebäudeversicherung enthalten, mit der sich Hauseigentümer gegen Sturm, Hagel oder Blitzschlag absichern. Der zusätzliche Schutz koste 90 Prozent der Hausbesitzer laut der Stiftung Warentest rund 100 Euro im Jahr. Wer den Baustein nicht will, soll widersprechen können. Eine Pflichtversicherung lehnt der GDV weiterhin ab. Der Vorschlag sei „ein kleinerer und milderer gesetzlicher Eingriff“ als die Pflichtversicherung, so Weiler. Aus den Bundesländern kämen unterschiedliche Signale, sagte Rollinger. Er hoffe auf Weichenstellungen noch in diesem Jahr.
Die Überschwemmungen hinterließen 2021 größere Spuren in den Bilanzen der Versicherer als die Corona-Pandemie. Dazu blieben die Beitragseinnahmen mit einem Zuwachs von branchenweit 1,1 Prozent auf 223,4 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurück. Dafür war vor allem die Lebensversicherung verantwortlich, in der die Versicherer das Geschäft mit Einmalbeiträgen zur Geldanlage drosselten. Zudem litt die Beratung unter den Lockdowns. „Unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie ist das solide, auch wenn wir uns zu Jahresbeginn etwas mehr erhofft hatten“, sagte GDV-Präsident Weiler.
Für das neue Jahr erwartet der GDV ein anziehendes Wachstum. Die Beitragseinnahmen sollten um zwei bis drei Prozent steigen, getrieben von der Sachversicherung, wo die Versicherungssummen wegen der Inflation steigen. In der Leben-Sparte seien ein bis zwei Prozent Zuwachs realistisch.
GDV will mehr Hausbesitzer zu Flut-Versicherung drängen
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