Düsseldorf, 14 Sep (Reuters) – Die Energieversorger und Stadtwerke wappnen sich wegen der Preisexplosion bei Strom und Gas für einen Ansturm besorgter Kunden. „In den Kundencentern haben wir zunehmend verzweifelte Menschen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing, der Nachrichtenagentur Reuters. „Manche werden aus Frust aggressiv, andere sind in Tränen aufgelöst und brauchen psychologische Betreuung.“ Viele Kunden könnten die hohen Kostensteigerungen einfach nicht mehr bezahlen. Die Mitarbeiter würden im Umgang mit solchen Situationen geschult und suchten in jedem Einzelfall nach Auswegen, berichten Branchenvertreter. Die Sperrung von Strom- und Gasanschlüssen sei das letzte Mittel und selten.
„Aktuell registrieren wir eine deutliche Zunahme von Kundenanfragen“, berichtet der Chef von E.ONEONGn.DE Energie Deutschland, Filip Thon. Der Versorger habe seine Service-Kapazitäten aufgestockt. Bisher gebe es noch keine größeren Verwerfungen, aber ganz klar: „Die Lage ist sehr angespannt.“ Aus vielen Gesprächen sei zu hören, dass die Kunden mit weiter steigenden Preisen für Strom und Gas rechneten. „Viele unterschätzen jedoch das Ausmaß der Energiekrise und der damit verbundenen Preissteigerungen insgesamt.“ E.ON beliefert direkt, über seine Regionalgesellschaften und nationale Marken rund 14 Millionen Kunden in Deutschland mit Strom und Gas.
Die Preise für Strom und Gas sind im Zuge der Lieferreduzierungen und des jetzigen Komplettausfalls Russlands in den vergangenen Monaten in die Höhe geschossen. Auf die Kunden kommen horrende Preissteigerungen zu. Schon jetzt haben viele Versorger ihre Tarife deutlich angehoben.
KUNDEN LASSEN WUT AN MITARBEITERN IN CALL CENTERN AUS
Für die Energieversorger sei die Vermittlung extrem steigender Preise eine Herausforderung, sagt auch die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae. „Viele betroffene Kundinnen und Kunden machen ihrem verständlichen Ärger und ihren großen Sorgen über die Preisentwicklung oft in den Kundencentern oder gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Call-Centern der Versorger Luft.“ Das sei für die Beschäftigten der Energieversorger eine große Belastung. Die Unternehmen klärten in Schreiben, am Telefon oder in Vor-Ort-Gesprächen über die Ursachen auf. „Dass die Energieunternehmen nicht die Verursacher der aktuellen Situation sind, wird zwar zumeist anerkannt, dennoch werden die Versorgungsunternehmen als Überbringer der schlechten Nachrichten in eine Mithaftung genommen.“
Die Kundenberater müssen darauf vorbereitet werden. Die individuelle Kundenberatung erfolge durch gut ausgebildete Mitarbeiter, betont E.ON-Manager Thon. „Dabei ist inhaltliches Hintergrundwissen ebenso wichtig, wie empathisch auf jeden einzelnen Anrufer einzugehen.“ Alle Mitarbeiter würden besonders ausgewählt, geschult und täglich mit Informationen zu aktuellen Entwicklungen versorgt.
SPERRUNGEN VON STROM- UND GASANSCHLÜSSEN DAS LETZTE MITTEL
„Aufgrund der regelmäßigen Presseberichterstattungen sind viele Kunden grundsätzlich bereits gut informiert, dennoch ist vielen Kunden das Ausmaß der Preisentwicklung noch nicht bewusst“, beschreibt eine Sprecherin der Stadtwerke Essen die Lage. Das Unternehmen versorgt knapp 60.000 Gas- und etwas über 30.000 Stromkunden. Kann ein Kunde nicht zahlen, werde nach individuellen Lösungen gesucht. Zudem erhalte der Kunde Tipps für Hilfsangebote, staatliche Unterstützungsmöglichkeiten sowie anerkannte Schuldner- und Verbraucherberatungen und Energiespartipps. Sollte der Kunde dennoch die Rechnung nicht begleichen können, werde versucht, eine individuelle Regelung für die Rückzahlung zu finden.
E.ON kommt den Kunden mit zinslosen Ratenplänen entgegen. Zudem gebe es für Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten die Möglichkeit, offene Beträge deutschlandweit auch in Geschäften von REWE, dm oder Penny einfach vor Ort zu begleichen. Sperrungen der Strom- und Gaslieferungen seien die Ausnahme.
Sperrungen in der Grundversorgung seien auch nicht ohne Weiteres erlaubt, erläutere die Sprecherin der Stadtwerke Essen. So müssten Kunden ihre Rechnung beziehungsweise ihren monatlichen Abschlag trotz Mahnung nicht bezahlt haben und der geschuldete Betrag doppelt so hoch sein wie der Monatsabschlag und mindestens 100 Euro betragen. Selbstverständlich prüfe der Versorger, ob die Folgen der Unterbrechung verhältnismäßig zum Zahlungsverzug seien. So könnte beispielsweise eine Versorgungsunterbrechung bei Haushalten mit Kleinkindern, Schwangeren oder gesundheitlich eingeschränkten Personen unverhältnismäßig sein. In den meisten Fällen sei eine Einigung möglich. „So hoffen wir, auch in den vor uns liegenden Monaten andere Lösungen finden zu können.“
Wie Energieversorger mit besorgten Kunden umgehen
Quelle: Reuters
Titelfoto: Symbolfoto
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