Samstag, November 16, 2024
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Trotz UN-Abkommen – Viele Hürden für Getreide-Exporte aus Ukraine

Kiew, 08. Sep – In der Kornkammer Europas wachsen die Getreideberge. Denn trotz des von den Vereinten Nationen unterstützten Seekorridors kommen immer noch zu wenige Schiffe in der Ukraine an, um das in den Kriegsmonaten angehäufte Getreide zu exportieren. „Im Moment schicken wir unsere Schiffe nicht in ukrainische Häfen, weil wir es nicht für sicher halten“, sagt Alexander Saverys, Geschäftsführer der in Belgien ansässigen Reedereigruppe CMB. „Die Lage vor Ort ist immer noch sehr instabil. Es besteht eine klare Gefahr für das Leben unserer Seeleute. Auch gibt es ein Risiko, im Hafen festzusitzen“.

Die Ukraine und Russland hatten die Ausfuhren unter Vermittlung der UN und der Türkei am 22. Juli vereinbart. Russland hob darauf die Blockade der ukrainischen Schwarzmeer-Häfen für Getreidefrachter auf. Viele Staaten und die UN hatten auf das Abkommen gedrungen, um den weltweiten Anstieg der Getreidepreise infolge der Verknappung des Angebots zu dämpfen. Die Ukraine zählt neben Russland zu den weltweit größten Getreideproduzenten. Nur über den Seeweg kann sie größere Mengen ausführen. Viele ärmere Länder sind auf die Getreide-Lieferungen angewiesen, können die gestiegenen Preise aber kaum auffangen.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch den ausgehandelten Kompromiss wieder in Frage gestellt. Das eigentlich für arme Länder bestimmte Getreide werde an die Türkei und in die Europäische Union geliefert. Möglicherweise müsse darüber nachgedacht werden, wie man die Exporte über das Schwarze Meer begrenzen könne. Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück. In dem Vertrag zwischen den beiden kriegsführenden Ländern ist nicht festgelegt, wohin das Getreide geliefert werden soll. Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Koordinierungsgruppe, die das Abkommen überwacht, gingen 30 Prozent der Fracht an ärmere Länder.

Selbst wenn die Vereinbarung Bestand hat, sind die Herausforderungen riesig. Es fehlt an großen Schiffen und einem großen Hafen, zudem gefährden Minen im Schwarzen Meer die Transporte. Daher liegen die transportierten Mengen weit unter dem Exportziel der Ukraine. Dieses sieht vor, die Agrarexporte bis Oktober auf mindestens sechs Millionen Tonnen zu verdoppeln. Nach Reuters-Berechnungen würde es bei der derzeitigen Ausfuhrrate etwa sechs Monate dauern, um den Rest des Getreides von der letztjährigen Ernte über die drei in das Abkommen einbezogenen Häfen – Odessa, Tschornomorsk und Piwdennji – mit Unterstützung von Bahntransporten zu verschiffen. Bis dahin wird sich ein weiterer Getreideberg aus der aktuellen Ernte angehäuft haben – darunter 20 Millionen Tonnen Weizen und voraussichtlich rund 30 Millionen Tonnen Mais.

DIE GROSSEN FRACHTER FEHLEN

Da die Landwirte auf ihrem Getreide sitzen bleiben und es nicht verkaufen können, fehlt ihnen das Geld zu investieren. Dadurch könnte die Winterweizenaussaat um etwa ein Drittel geringer ausfallen als im letzten Jahr, schätzt Denys Martschuk, stellvertretender Vorsitzender des ukrainischen Agrarrats. Die weltweite Nahrungsmittelkrise könnte sich dadurch weiter verschärfen. Die Lebensmittelpreise, die durch den Krieg in die Höhe geschnellt sind, haben sich nach dem Abkommen zwar entspannt. Aber ukrainischer Weizen erreicht seine Abnehmer in Afrika noch immer nicht in annähernd normalen Mengen.

„Die Ukraine bräuchte gigantische Transportkapazitäten, um die verlorene Zeit wieder aufzuholen“, sagt Josh Brazil von der Logistikplattform project44. Um das frühere Niveau wieder zu erreichen, müssten täglich vier 50.000-Tonnen-Schiffe eingesetzt werden. Doch viele der Schiffe, die die Ukraine verlassen, sind deutlich kleiner. Nach Daten der Plattform Shipfix liegt die durchschnittliche Größe nur bei etwa 20.000 Tonnen.

Größere Schiffe, die mehr als 60.000 Tonnen Getreide transportieren, wurden nach dem Kriegsausbruch vom Schwarzen Meer in anderen Regionen wie Nord- und Südamerika umdisponiert. „Wir sind derzeit nicht in der Lage, unsere Schiffe im Schwarzen Meer einzusetzen“, sagt Khalid Hashim, Geschäftsführer der thailändischen Reederei Precious Shipping. In Südamerika ist gerade Hochsaison der Getreideexporte und wegen einer großen Ernte in Brasilien sind viele Schiffe gebunden. 

Das Getreide-Abkommen schließt zudem den zweitgrößten Getreideterminal des Landes in der ukrainischen Hafenstadt Mykolajiw aus, was die Rückkehr zum ursprünglichen Exportniveau erschwert. Hinzu kommt die Sorge, dass die Frachter zwischen die Fronten geraten. „Es ist eine Sache, gegen eine Katastrophe versichert zu sein, aber eine andere, unsere Besatzung und unser Schiff potenziell in Gefahr zu bringen“, sagte Saverys von der Reederei CMB. Die US-Massengutreederei Genco prüft, wie sie in der Ukraine arbeiten kann. „Es gibt Herausforderungen bei der Versicherung, vor allem bei der Sicherheit unserer Besatzung, und es gibt viele andere logistische Probleme“, sagt Genco-Chef John Wobensmith. „Wir sind noch nicht am Ziel.“ 

Trotz UN-Abkommen – Viele Hürden für Getreide-Exporte aus Ukraine

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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