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Ökonomen zum Entlastungspaket der Bundesregierung

Berlin, 04. Sep – Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat ein drittes Entlastungspaket im Volumen von über 65 Milliarden Euro geschnürt. Ökonomen sagten dazu in ersten Reaktionen:

ACHIM WAMBACH, PRÄSIDENT EUROPÄISCHES ZENTRUM FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG (ZEW):

„Es ist zu begrüßen, dass sich die direkten Unterstützungsmaßnahmen im Entlastungspaket auf die besonders betroffenen Haushalte konzentrieren – Wohngeldempfänger, Rentner, Studenten. Eine Förderung für alle aus Steuergeldern wäre nicht zielführend. 

Wie lange aus der Wissenschaft empfohlen, soll den Haushalten und kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) für den Stromverbrauch eine Basismenge zu vergünstigtem Preis gutgeschrieben werden. Darüber hinaus verbrauchte Mengen werden zum aktuellen Strompreis in Rechnung gestellt. Damit bleiben Anreize zum Stromsparen erhalten. Ein ähnliches Modell bietet sich auch für den Gasverbrauch an. 

Die Unternehmenshilfen sind erst zum Teil ausgearbeitet. Mit den Liquiditätshilfen, mit denen viel Erfahrung in der Finanz- und Coronakrise gemacht wurden, steht ein Instrument zur Verfügung, um den Liquiditätsbedarf der Unternehmen zu sichern. Darüber hinausgehende Hilfen sollen nur an die Unternehmen gehen, die ‚von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung‘ sind. Dieses Kriterium, das auf Sektoren erweitert werden sollte (Unternehmen aus Sektoren mit großer volkswirtschaftlicher Bedeutung), sollte auch bei der Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramms mit einbezogen werden.

Das Einsparen von Gas und Strom sollte Priorität haben. Die Maßnahmen zur Reduktion der Strom- und Gaspreise sollten daher nur zurückhaltend eingesetzt werden. Im Extremfall – bei einem völlig unelastischen Angebot – führen solche Maßnahmen lediglich zu einem weiteren Anstieg der Preise. Aber auch ansonsten wird sich die im Vergleich zu einer Situation ohne die Maßnahmen erhöhte Nachfrage in einem Anstieg der Preise niederschlagen.“

SEBASTIAN DULLIEN, WISSENSCHAFTLICHER DIREKTOR INSTITUT FÜR MAKROÖKONOMIE UND KONJUNKTURFORSCHUNG (IMK):

„Es ist gut und sinnvoll, dass die Bundesregierung jetzt noch einmal mit einem relevanten Entlastungspaket nachgelegt hat. Das Paket enthält viele gute und sinnvolle Einzelmaßnahmen. Richtig und gut ist etwa, dass Rentnerinnen und Rentner ebenso wie Studierende Einmalzahlungen erhalten sollen. Ebenso richtig ist die Erhöhung des Kindergeldes und die künftig vorausschauend gestaltete Anpassung des neuen Bürgergeldes an die Inflation.

Sehr gut und zielführend ist auch, dass es jetzt auf dem Strommarkt eine Übergewinnabschöpfung geben wird und dass damit eine Strompreisbremse finanziert werden soll, die eine Überlastung von Haushalten und kleinen Betrieben durch stark steigende Strompreise verhindern soll. Diese Maßnahme schöpft ungerechtfertige Übergewinne ab, senkt die gemessene Inflationsrate und entlastet die Privathaushalte ganz konkret.

All diese Maßnahmen stützen die Kaufkraft und dürften damit in den kommenden Monaten helfen, einen drastischen Rückgang der Konsumnachfrage zu vermeiden. Auch werden mit dem Paket einige Gerechtigkeitslücken in den bisherigen Entlastungspaketen geschlossen. Das von der Bundesregierung angekündigte Entlastungsvolumen von 65 Milliarden Euro ist im Prinzip ökonomisch angemessen. Die deutsche Volkswirtschaft wird absehbar 2023 von einem Schock durch gestiegene Importpreise für fossile Energieträger von etwas mehr als 200 Milliarden Euro getroffen. Ein Nachfrageimpuls von 65 Milliarden Euro könnte im Prinzip ein Drittel dieses Schocks abfedern und damit eine nun drohende Rezession zumindest deutlich mildern oder möglicherweise auch verhindern.

Allerdings ist aus den bislang vorliegenden Unterlagen noch nicht ganz klar, wie genau sich die 65 Milliarden Euro in allen Dimensionen zusammensetzen. Sollte etwa in größerem Maß auch Unternehmenskredite in diese Summe eingerechnet sein, so wäre der direkte Nachfrageeffekt des Pakets geringer. Auch muss man im Detail beachten, ob bereits zuvor geplante Maßnahmen bereits mitgezählt werden. 

Bei der zentralen Frage der Begrenzung der Belastungen von Haushalten mit Gasheizung vor erdrückenden Heizkosten in den kommenden Monaten ist zu begrüßen, dass das Papier einen Prüfauftrag für Maßnahmen zur Preisbegrenzung enthält. Hier wäre aber wichtig, dass schnell auch klare Schritte umgesetzt werden, wie der diskutierte Gaspreisdeckel für einen Grundverbrauch. Bisher hat die Regierung hier noch keinen konkreten Plan vorgelegt, wie mit der drohenden Überlastung vieler Haushalte mit Gasheizung umgegangen werden soll. Für die Bewertung der Gesamtentlastungswirkung wären dann die Parameter einer solchen Preisbegrenzung zentral.“

Ökonomen zum Entlastungspaket der Bundesregierung

Quelle: Reuters

Titelfoto: Symbolfoto

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