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In der Kürze liegt die Würze – EZB-Chefökonom muss Redezeit abgeben

Frankfurt/Berlin, 17. Mai (Reuters) – Während die Europäische Zentralbank auf die Zinswende zusteuert, gibt es auch neue Abläufe auf der Kommandobrücke der EZB. Im Mittelpunkt steht die Rolle des Chefökonomen, der weniger Redezeit erhält. Wie die Nachrichtenagentur Reuters von mehreren Insidern erfuhr, hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde Chefvolkswirt Philip Lane signalisiert, dass sich die 19 nationalen Notenbankchefs dann im EZB-Rat mehr einbringen könnten. Zugleich wurde der zeitliche Rahmen der zweitägigen Zinssitzungen erweitert.

Die neuen internen Vorgaben, die bereits für die April-Sitzung galten und der Öffentlichkeit bislang nicht bekannt waren, dürften die Debattenkultur in dem zinspolitischen Entscheidungsgremium beleben. Der Chefökonom, der sich nicht zu dem Reuters-Bericht äußerte, ließ Rats-Mitgliedern jüngst als Teil der Neuerungen schon vor der Sitzung Unterlagen zukommen. Laut EZB wird mit einem solchen Vorgehen eine umfassendere Analyse ermöglicht. Und zugleich können Präsentationen „prägnanter“ ausfallen und Wiederholungen vermieden werden.

Das mit Fachwörtern gespickte Vokabular Lanes gilt für Laien als schwer verständlich. So sprach der Ire bei einem Redeauftritt an der Berliner Hertie School beispielsweise auf Englisch von „buckel-förmigen Anpassungsdynamiken für den Inflationspfad“. Sein Vortragsstil hat offenbar auch manche der Geldpolitik-Profis im EZB-Rat an ihre Belastungsgrenze gebracht. Dabei gelten die fundierte Fachpräsentation und die geldpolitischen Vorschläge des Chefökonomen als Herzstück jeder Zinssitzung.

KAUM MEHR RAUM ZUR DEBATTE

Dabei konnte es schon einmal vorkommen, dass der Ire aus einem Konvolut von mehr als 60 Seiten referierte, womit laut einem Insider kaum mehr Raum zur Debatte übrig blieb. Laut den mit der Sache vertrauten Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten, wurden Präsentationen von Board-Mitgliedern mittlerweile auf 20 Seiten beschränkt. Dies gelte somit auch für die deutsche Direktorin Isabel Schnabel, die den EZB-Rat regelmäßig über die Finanzierungsbedingungen ins Bild setzt. Doch anders als Lane habe sie sich ohnehin bereits auf relativ kurze Beiträge beschränkt, hieß es.

Einer der befragten Gewährsleute bei der EZB ist der Meinung, dass Lanes Stimme in der internen Debatte bislang im Rat zuviel Gewicht zugekommen sei: „Daher ist es gut, das auszubalancieren.“ Neben einer gewissen Unzufriedenheit mit Textlängen und Präsentationsstil des Harvard-Absolventen schimmert auch inhaltliche Kritik durch. Denn immer wieder wurden die Inflationsprognosen der EZB zu niedrig angesetzt. Ein ums andere Mal wurden die Volkswirte der Zentralbank von der Teuerungsrate auf dem falschen Fuß erwischt. So nannte EZB-Chefin Lagarde auf Basis der Prognosen zunächst eine Zinserhöhung im laufenden Jahr sehr unwahrscheinlich. Die Französin musste dann später unter dem Eindruck der weiter rasant steigenden Preise zurückrudern und stellte nun eine baldige Zinswende in Aussicht.

„VERANTWORTUNG FÜR DAS EUROSYSTEM“

Mitunter war offene Kritik an geldpolitischen Beschlüssen laut geworden und des öfteren wurden Details der Diskussionen im Rat an die Presse weitergegeben. „Christine (Lagarde) ist diese Durchstechereien wirklich leid. Und das ist ein weiterer Schritt, sie zu stoppen“, heißt es zu den Änderungen der Debattenkultur. Damit würde sich die EZB laut Beobachtern der gelebten Praxis anderer großer Zentralbanken annähern wie etwa der Federal Reserve in Washington oder der Bank of England in London.

Lagarde hatte Ende 2019 einen tief gespaltenen EZB-Rat von ihrem für einen straffen Führungsstil bekannten italienischen Vorgänger Mario Draghi übernommen und gelobt, die Ratsentscheidungen auf eine breitere Basis zu stellen. Nun könnte die Zeit dafür gekommen sein. Erste Signale dafür gibt es offenbar schon. So erteilte Lagarde Insidern zufolge auf der April-Sitzung dem erst seit Anfang des Jahres amtierenden Bundesbankchef Joachim Nagel im Rat unaufgefordert das Wort: „Ich denke, Joachim wollte etwas sagen.“

Dieser hatte jüngst in Berlin betont, dass er sich als europäischer Teamspieler sieht und nicht primär als Vertreter der Interessen seines Heimatlandes. Ein Credo, das seiner Ansicht nach für alle gelten sollte: „Wir reden hier nicht über Deutschland oder Italien, Spanien oder Frankreich. Wir tragen Verantwortung für das Eurosystem.“

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