13. Aug (Reuters) – Der mutmaßliche Attentäter von Salman Rushdie muss sich in den USA wegen versuchten Mordes und Körperverletzung verantworten. Der 24-Jährige werde wegen dieser Vorwürfe angeklagt, teilte der Bezirksstaatsanwalt von Chautauqua County, Jason Schmidt, am Samstag mit. Er sei in Untersuchungshaft genommen worden. Im Iran begrüßten mehrere Medien den Messerangriff auf den Schriftsteller, der mit dem Roman „Die satanischen Verse“ weltbekannt geworden war. In der regierungsnahen Zeitung „Kayhan“, deren Chefredakteur von Irans weltlichem und geistlichem Oberhaupt Ali Chamenei ernannt wird, hieß es am Samstag: „Tausend Bravos (…) für die mutige und pflichtbewusste Person, die den abtrünnigen und bösen Salman Rushdie in New York angegriffen hat.“ Weiter hieß es: „Die Hand des Mannes, der dem Feind Gottes den Hals umgedreht hat, muss geküsst werden.“
Nach einem US-Medienbericht soll der Verdächtige Sympathien für die iranischen Revolutionsgarden gehegt haben. Rushdie selbst hatte erst vor zwei Wochen mit Blick auf Attentatsaufrufe iranischer Geistlicher erklärt: „Das ist lange her, wissen Sie, inzwischen ist mein Leben wieder relativ normal.“
Der Schriftsteller war am Freitag bei einer Vortragsveranstaltung im US-Bundesstaat New York von einem Angreifer auf der Bühne mit einem Messer attackiert worden. Nach einer Notoperation wurde der 75-Jährige an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Seinem Literaturagenten Andrew Wylie zufolge wird Rushdie wahrscheinlich ein Auge verlieren. Zudem seien Nerven in einem Arm durchtrennt und seine Leber verletzt worden. Die Polizei nahm einen 24-Jährigen aus dem Bundesstaat New Jersey als mutmaßlichen Täter fest. Zu einem Tatmotiv äußerte sie sich bislang nicht. Der Angriff löste weltweit Bestürzung aus.
Im Iran titelte „Vatan Emrooz“: „Messer im Nacken von Salman Rushdie“. Die Zeitung „Chorasan“ brachte die Schlagzeile: „Satan auf dem Weg zur Hölle“. Die Nachrichtenseite Asr Iran veröffentlichte ein Zitat von Chamenei, in dem es heißt, der vom ehemaligen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ruhollah Chomeini abgeschossene „Pfeil“ werde eines Tages das Ziel treffen. Von der Führung in Teheran lag zunächst keine Stellungnahme vor.
CHOMEINI HATTE FATWA GEGEN RUSHDIE ERLASSEN
Wegen Rushdies Roman „Die satanischen Verse“ hatte der Chamenei-Vorgänger Chomeini 1989 eine Fatwa – ein islamisches Rechtsgutachten – veröffentlicht, die zur Ermordung des Autors aufforderte. Viele Muslime sahen in dem Buch Blasphemie und eine Beleidigung des Propheten Mohammed. Das Buch wurde in vielen islamischen Ländern verboten. Die iranische Führung rückte zwar später von diesem Aufruf ab. Chamenei hatte 2019 aber erklärt, die Fatwa sei unumstößlich. Iranische Organisationen hatten eine Belohnung auf Tötung Rushdies ausgesetzt.
Der Sender NBC New York berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, der 24-jährige Tatverdächtige habe in sozialen Netzwerken im Internet mit den Revolutionsgarden und mit schiitischem Extremismus sympathisiert. Es seien aber bislang keine direkten Kontakte festgestellt worden. Er sei in Kalifornien geboren und erst kürzlich nach New Jersey umgezogen. Seine Eltern stammen nach libanesischen Behördenangaben aus dem Libanon.
Vor zwei Wochen hatte Rushdie in einem Interview mit der Illustrierten „Stern“ erklärt: „So eine Fatwa ist eine ernste Sache. Aber das ist lange her.“ Auf die Frage, was er heute fürchte, antwortete Rushdie: „Früher hätte ich gesagt – den religiösen Fanatismus. Das sage ich heute nicht mehr. Die aktuell größte Gefahr ist, dass wir unsere Demokratie verlieren.“
In Deutschland gab Bundesinnenministerin Nancy Faeser dem Iran eine Mitverantwortung für das Attentat. „Für diese schreckliche Bluttat tragen auch die Verantwortung, die Salman Rushdie seit Jahrzehnten verfolgt und mit dem Tod bedroht haben“, sagte die SPD-Politikerin der „Bild am Sonntag“.
Copyright: (c) Copyright Thomson Reuters 2022
Foto: Symbolfoto
Die aktuelle Folge zum FUNDSCENE NFT, Web3 , Metaverse Talk.